Elektrische Kleinbahn Emden-Außenhafen (bzw. Straßenbahn Emden) und die Emder Pferdebahn

Elektrische Kleinbahn Emden-AußenhafenAls der Emder Bahnhof gebaut wurde, legten die Fährschiffe des Ems- und Inselverkehrs noch in der Stadtmitte an, ein Anleger entstand auch direkt vor dem Bahnhofsgelände (dort befindet sich heute die Wohnmobilstellfläche am Alten Binnenhafen). Nach dem Bau der Nesserlander Schutzschleuse verlagerte sich der Passagierschiffsverkehr zum neu entstandenen Außenhafen, vom Bahnhof ein Weg von ungefähr vier Kilometern.

Um Abhilfe zu schaffen, sollte eine Pferdeeisenbahn gebaut werden, für deren Bau der Emder Bäckermeister Reemt Reints Poppinga gewonnen werden konnte (und der 1884 auch eine Konzession für eine Pferdestraßenbahn in Leer beantragte). Die Stadt Emden erteilte am 26.10.1883 eine Konzession für 50 Jahre, der Betrieb sollte bis zum 15.06.1884 aufgenommen werden. Für den auf 93.000 Mark veranschlagten Bau gab die Stadt einen Kredit von 20.000 Mark, dazu Amtshilfe für die notwendigen Genehmigungen.

Continental Pferdeeisenbahn A.-G., Hannover
Zwei Wagen der Continental Pferdeeisenbahn Actien-Gesellschaft in Hannover. Das Foto dient hier zwar nur als Beispiel für die Bauart der Decksitzwagen, aber Fensteraufteilung und Größe passen zu den Waggons, die später auf Borkum im Einsatz waren.

 

Anfangs ging alles recht zügig, der Bau schritt schnell voran und Poppinga kaufte sechs gebrauchte Decksitzwagen der Continental Pferdeeisenbahn Actien-Gesellschaft in Hannover. Der Schuppen der Pferdebahn entstand neben dem Hotel „Union“ des Jannes Freerks Poppinga in der damaligen Bahnhofstraße 5 (heute Friedrich-Ebert-Straße 88).
Doch dann gab es unerwartete Probleme: Die doppelstöckigen Waggons passten nicht unter dem Rathausbogen hindurch und es gab Beschwerden, dass die Gleise schlecht verlegt und nicht betriebssicher seien. Erschwerend kam hinzu, dass statt der geforderten Rillenschienen einfache Eisenbahnschienen verlegt wurden. Diese stellten in den Augen der Stadt Emden eine Gefahr für den übrigen Verkehr dar, da sie – durch ihre Form bedingt – stellenweise über das Pflaster ragten. Die Arbeiten gerieten ins Stocken und wurden schließlich eingestellt. Die Stadt Emden klagte auf Fertigstellung der Pferdebahn, aber im März 1885 stand fest: Poppinga kann nicht zum Weiterbau verpflichtet werden. Ab Mai wurden – von ständigen Mahnungen der Stadt begleitet – die Gleise wieder ausgebaut. Die Waggons der Pferdebahn wurden im November 1887 nach Borkum verkauft, wo fünf davon (nach Entfernung der oberen Sitze) den Grundstock der Inselbahn bildeten.

Borkumer Kleinbahn
Zwei ehemalige Wagen der Emder Pferdebahn auf Borkum, nach dem dort erfolgten Umbau nur noch einstöckig (Ansichtskarte Verlag W. Haynel, Emden & Borkum, ca. 1895, Ausschnitt)

Ein Pfändungsprotokoll vom 13. Oktober 1885 dokumentierte das unschöne Ende: „Auf Grund des von dem Magistrat der Stadt Emden gegen den Bäcker R. R. Poppinga wegen rückständiger Kosten wegen Beseitigung der Pferdebahn zum Gesammtbetrage von 1107 Mark 40 Pf. […] erlassenen Pfändungsbefehls“ ließ die Stadt Emden „drei Colli Pferdebahnschienen, geschätzt zu 1200 Mark“ pfänden, die noch beim Hotel „Union“ lagerten. Poppinga hielt die Rechnung für deutlich überhöht, aber der Regierungspräsident in Aurich und schließlich mit Schreiben vom 11. Februar 1886 auch das Ministerium der öffentlichen Arbeiten in Berlin entschieden zugunsten Emdens, nachdem der „Betrag einer sorgfältigen Prüfung unterzogen“ worden war. Schadenersatz für das entgangene Unternehmen konnte Bäckermeister Poppinga schlussendlich auch nicht durchsetzen.

Inselbahn Borkum
Noch einmal die Borkumer Kleinbahn. Direkt hinter der Lok ist einer der umgebauten Emder Waggons eingestellt. (Fotograf unbekannt, um 1940)

Obwohl es bereits einen regelmäßigen Verkehr mit Motorbooten gab, blieb die Bahnverbindung auf der Wunschliste. Im Jahr 1900 trat Albert Ballin, Generaldirektor der HAPAG, an die Stadt heran, um die Sache voranzubringen. Der Magistrat war dagegen, aber im Oktober des Jahres erhielt Ballin Unterstützung aus Berlin in Person von Carl Schweckendieck. Der Oberregierungsrat im Ministerium für öffentliche Arbeiten war gebürtiger Emder und pflegte sehr gute Verbindungen zu Oberbürgermeister Fürbinger.
Wieder ging alles ganz schnell. Noch im selben Monat meldete sich die Allgemeine Electricitäts-Gesellschaft (AEG) bei der Stadt: Man habe gehört, in Emden sei eine elektrische Eisenbahn geplant und wolle ein Angebot unterbreiten. Ein paar Tage später – immer noch Oktober 1900 – gingen Anfragen der Stadt Emden an drei damals führende Elektro-Unternehmen (AEG, Union Electricitäts-Gesellschaft und A.G. Phoebus) in die Post. Der Zuschlag ging an die AEG, die unbefristete Genehmigung wurde am 23. August 1901 erteilt und bereits am 23. Februar 1902 erfolgte die Eröffnungsfahrt. Der Betriebsvertrag mit der Stadt Emden wurde auf fünfzig Jahre, bis zum 31.03.1952 befristet.

Elektrische Kleinbahn, Zeitschrift für Bauwesen 1902
Der Verlauf der elektrischen Kleinbahn auf einem Plan des Emder Hafens, rot nachgezeichnet (aus: Zeitschrift für Bauwesen, Berlin 1902)

Kleiner Einschub: Es sprechen zwar fast alle von der Emder Straßenbahn, aber tatsächlich war es (zumindest ursprünglich) gar keine. Die preußische Gesetzgebung kannte diesen Begriff nicht und so beginnt die Genehmigungsurkunde mit der Einleitung
„Auf Grund des Gesetzes über Kleinbahnen und Privatanschlußbahnen vom 28. Juli 1892 (G.-S. S. 225) wird der Stadt Emden im Einvernehmen mit der Königlichen Eisenbahndirektion zu Münster die Genehmigung zum Bau und Betriebe einer elektrischen Kleinbahn von Emden nach dem Außenhafen (Freibezirk) nach Maßgabe folgender Festsetzung und Bedingungen ertheilt.“
Weiter wird in § 1 ausgeführt:
„Durch Erlaß des Herrn Ministers der öffentlichen Arbeiten vom 29. Juni 1901 IV A. 3865/III 9501 ist bestimmt, daß die zu erbauende elektrische Kleinbahn nicht den Bestimmungen des Gesetzes vom 3. November 1838 zu unterstellen, sondern als Kleinbahn zu genehmigen ist.“ (Das genannte Gesetz von 1838 betrifft Vollbahnen.)
Es handelte sich also zunächst nicht um eine Straßenbahn, sondern um eine Kleinbahn, nur dass diese – im Gegensatz z. B. zur Kleinbahn Emden-Pewsum – elektrisch betrieben wurde. Das änderte sich, nachdem im Deutschen Reich am 1. April 1938 die „Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahn“ (BOStrab) in Kraft trat und Bahnbetriebe sich entscheiden mussten, ob sie künftig nach der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) oder eben der BOStrab arbeiten würden. Der Emder Betrieb rechnete sich dem Geltungsbereich der BOStrab zu und wurde ab etwa 1940 als „Straßenbahn Emden“ bezeichnet.
Der Emder Volksmund schuf allerdings schnell den Begriff „de gleunige düvel“ (der glühende Teufel).

Elektrische Kleinbahn Emden-Außenhafen, Tw 11
Triebwagen 11, gebaut 1910 durch die Waggonfabrik Uerdingen und die AEG (Werksfoto)

Der Verkehr entwickelte sich gut und so wurde schnell daran gedacht, ein richtiges Streckennetz zu schaffen. Vor allem die Kaserne an der Auricher Straße im Norden Emdens sollten an die Kleinbahn angebunden werden, eventuell auch der Bahnhof.  Der Erste Weltkrieg verhinderte jedoch weitere Tätigkeiten und es blieb bei der Strecke von Alten Markt zum Außenhafen. Im Zweiten Weltkrieg wurde auch die Kleinbahn schwer in Mitleidenschaft gezogen und der Betrieb nur notdürftig aufrecht erhalten. Die Endhaltestelle am Alten Markt war bald nicht mehr erreichbar, nach dem schweren Bombenangriff am 4. September 1944 endeten die Züge aus Richtung Außenhafen an der Commerzbank. Im Herbst 1944 wurde der Triebwagen 78 der Hagener Straßenbahn dem Emder Betrieb als Verstärkung zugewiesen, da die noch betriebsfähigen eigenen Fahrzeuge kaum ausreichten.

Tw 1 der Emder elektr. Kleinbahn
Triebwagen 1 (ehem. Hagener Straßenbahn 78) vor dem Café Funke am Alten Markt (Sammlung Peter Boehm)

Als beim Neuaufbau der Stadt Emden die Sanierung der Straße Am Delft anstand, zeichnete sich schnell ab, dass das Ende bevorstand. Ohnehin waren Teile des Magistrats dafür, den Bahnbetrieb aufzugeben, und auch das Interesse der AEG war angesichts der zu erwarten Kosten für die Reparaturen eher gering (Neubau großer Teile der Strecke und es hätte Ersatz für die zerstörten Fahrzeuge beschafft werden müssen). Die Stadt Emden sah sich aber nicht in der Lage, den Betrieb in Eigenregie zu übernehmen. Um Zeit zu gewinnen einigte man sich darauf, dass die AEG den Betrieb auch nach Ablauf des Betriebsvertrages am 31. März 1952 fortführt, zunächst für ein Jahr. Zwar verstrich auch dieser Termin, ohne dass sich etwas änderte, kurz darauf kam aber das endgültige Aus: Die letzte Fahrt der Straßenbahn Emden erfolgte am 30. April 1953. Schon ein paar Tage später wurde der Abbruch ausgeschrieben und noch im Sommer waren Gleise und Fahrzeuge Geschichte.

Emder elektr. Kleinbahn, Triebwagen 1'''
Triebwagen 1 (der dritte mit dieser Nummer), abgestellt im Betriebshof am Delft. (Foto: Peter Boehm, 15.05.1953)

Alter Markt

Emden, Alter Markt
Ansichtskarte: Cramers Kunstanstalt Dortmund, gelaufen 1930 (Ausschnitt)
Emden, Alter Markt
Ansichtskarte: Verlag W. B. Levy, Hamburg, ca. 1910

Der Ausgangspunkt der Strecke lag mitten in der Stadt am Alten Markt, nur ein paar Schritte von Rathaus und Ratsdelft entfernt. Hier bestand eine Ausweiche, damit die Triebwagen zum Fahrtrichtungswechsel umsetzen konnten.

Emden, Alter Markt
Ansichtskarte: Verlag M. Glückstadt & Münden, Hamburg, 1908

Ein Blick in die Gegenrichtung. Links mündet die Große Straße, rechts geht der Blick in den Stadtgarten. Der Rathausplatz ist rechts außerhalb des Bildes.
Von all den abgebildeten Gebäuden hat nur das Bankhaus Koppel (Bildmitte, mit Ecktürmchen) den Zweiten Weltkrieg überstanden und auch das nur schwer beschädigt.


Am Delft

Emden, Am Delft
Ansichtskarte ohne Verlag, ca. 1910

Dieser Blick die Straße Am Delft entlang bot sich vom oben erwähnten Bankhaus Koppel. Links ist der namengebende Ratsdelft zu sehen, der älteste Hafen Emdens.
Auch diese Häuser wurden ohne Ausnahme im letzten Krieg zerstört.

Emden, Am Delft
Ansichtskarte: Verlag Knackstedt & Näther, Hamburg, gelaufen 1913

Nur ein paar Meter weiter und aus etwas anderer Perspektive wurde diese Aufnahme gemacht.
Bei dem Triebwagen, der dort auf dem Weg zum Alten Markt ist, dürfte es sich um Nummer 1 handeln.

Emden, Am Delft
Ansichtskarte: Verlag Dr. Paul Wolf, Frankfurt/Main, etwa 1930 (Ausschnitt)

Nach der nächsten Kurve nähert sich die Strecke dem Depot der elektrischen Kleinbahn, das sich hinter dem Zollamt (das Gebäude in der Bildmitte) verbirgt.


Schweckendieckstraße

Emden, Schweckendieckstraße
Ansichtskarte: Verlag J. Röling, Emden, 1907

Triebwagen 2 fährt auf dem Weg zum Außenhafen durch die Schweckendieckstraße. Vor dem Gebäude im Hintergrund (zwischen Baum und Triebwagen) befindet sich der Schweckendieckplatz. Dort mündet von rechts kommend die Ringstraße, die Schweckendieckstraße führt rechts an diesem Haus vorbei, links des Gebäudes beginnt die Nesserlander Straße, an der auch die Kleinbahn weiter zum Außenhafen verläuft.
Der Bildtext dieser Ansichtskarte führt manchmal zu etwas Verwirrung, da dieser Bereich heute zur Straße Am Delft gehört.


Nesserlander Straße

Emder elektr. Kleinbahn, Triebwagen 2
Fotograf und Jahr unbekannt

An der Nesserlander Straße befand sich in Höhe der Schiffswerft Cassens bzw. der Dollartstraße eine Ausweichstelle, um eine dichtere Zugfolge zu ermöglichen. Ein Aufenthalt dort auf dem Weg zum Außenhafen wurde hier genutzt, um das Personal neben Triebwagen 2 festzuhalten. Das Bild ist spätestens 1928 entstanden, da in diesem Jahr die Wagen 1 und 2 nach Langeoog verkauft wurden.


Nesserland

Emden, Hotel Nesserland
Ansichtskarte: Verlag M. Glückstadt & Münden, Hamburg, ca. 1903

Das kurz vor dem Außenhafen gelegene Hotel Nesserland (auf der Karte falsch geschrieben) bekam eine eigene Haltestelle. Auch hier wurde Triebwagen 2 abgelichtet, diesmal gut besetzt auf dem Weg in die Stadt.


Außenhafen

Emden-Außenhafen
Ansichtskarte: Verlag Richard Borek, Braunschweig, ca. 1910

Die Strecke der elektrischen Kleinbahn auf Höhe des Bahnhofes Emden-Außenhafen, dessen hölzernes Empfangsgebäude hier noch seinen Aussichtsturm besitzt.


Außenhafen

Emden, Außenhafen
Ansichtskarte ohne Verlag und Jahr, ca. 1914

Das eigentliche Ziel der elektrischen Kleinbahn befand sich ein Stück südlich des Bahnhofes: Die Anleger der Auswandererschiffe von HAPAG und Norddeutschem Lloyd (damals noch Konkurrenten).


© Thomas Feldmann, Emden (Ostfriesland)
letzte Änderung 15.09.2024 (erstellt 19.05.2019)